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Campusgrün kritisiert den Koalitionsvertrag zwischen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP.

Als Bundesverband grün-alternativer Hochschulgruppen können wir es nicht

unkommentiert billigen, wenn der gemeinsame Koalitionsvertrag von Bündnis 90/DIE

GRÜNEN, SPD und FDP das Relativieren des 1,5°-Ziels [0], Exzellenzuniversitäten,

Rückführungsoffensiven, atomare Teilhabe, Schuldenbremse, HartzIV, eine Absage

an notwendige Umverteilung und absolute Ignoranz in der Mietenfrage beinhaltet.

In großen Teilen erachten wir den Koalitionsvertrag daher als unzureichend, um

den akuten Krisen adäquat zu begegnen. An anderer Stelle zeigt der

Koalitionsvertrag auf, wie schnell Veränderung möglich ist, wenn die Union nicht

an einer Bundesregierung teilhaben wird.


Die Zustimmung zu den GRÜNEN ist eng mit der in den letzten Jahren starken Ökologiebewegung (v.a. FFF und den Waldbesetzungskämpfen) verknüpft. Und auch, wenn die GRÜNEN schon lange ihre Verwurzelung in den sozialen Bewegungen vernachlässigt haben, wäre es absolut notwendig gewesen, diesen gesellschaftlichen Druck parlamentarisch abzusichern. Die GRÜNEN hätten - anstatt mit SPD und FDP auf Kuschelkurs zu gehen - frühzeitig klarmachen müssen, dass eine Koalition, die das 1,5°-Ziel nicht halten kann, ausgeschlossen ist.


Diese taktischen Fehler rächen sich jetzt:

Im Koalitionspapier wird ausdrücklich vermieden, der Klimakrise den Kampf anzusagen. So ist "idealerweise" (also: nicht verpflichtend) ein Kohleausstieg bis 2030 geplant, gleichzeitig soll die schädliche Erdgasinfrastruktur ausgebaut werden. Des Weiteren ist kein Ausstieg aus dem Verbrennermotor bis 2030 vorgesehen, kein Ende klimaschädlicher Milliardensubventionen, kein Tempolimit - und eine angestrebte Klimaneutralität ab 2045 ist viel zu spät. Hinzu kommt, dass selbst die wenigen Ziele mit dem Festhalten an der Schuldenbremse nicht verwirklicht werden können. Vor diesem Hintergrund stimmen wir Fridays For Future zu, wenn sie sagen: »Mit ihren vorgelegten Maßnahmen entscheiden sich die drei Parteien bewusst für eine weitere Eskalation der Klimakrise« (Spiegel).Auch in unserem Grundsatzprogramm stellen wir uns gegen jenes "Propagieren einer sog. green economy" als Stütze der "vorherrschenden kapitalistischen Verwertungslogik", wie sie die Ampel anstrebt.

Aber auch die vor allem vom "Realo"-Flügel propagierte Logik, dass das Verhandlungsergebnis insgesamt stimmen müsse und 'rote Linien' dafür schädlich seien, blamiert sich an der Realität. Dies wollen wir neben der bereits ausgeführten ökologischen Frage an einigen weiteren Aspekten deutlich machen:


1. Wissenschaft.

Die Regierungskoalition möchte den Wissenschaftsstandort "wettbewerbsfähiger" machen. Dafür werde sie die "bewährte Exzellenzstrategie" an Hochschulen mit neuen Clustern weiterführen (während die Grundfinanzierung um nur 0,3 Prozent steigen soll, was noch nicht mal der Inflationsrate gerecht wird). Auch solle das "soziale Unternehmertum" an Hochschulen gefördert werden. Diese Maßnahmen treiben die konkurrenzbehaftete Neoliberalisierung der Hochschulen noch weiter als bisher voran - und sind somit nicht in Einklang mit unserem Grundsatzprogramm zu bringen. Dieses sieht "Wissenschaft und Forschung dem Gemeinwohl verpflichtet" wofür es eine ausreichende "Grundfinanzierung" als notwendig erachtet. Damit lehnt es "Profitinteressen" sowie "Wettbewerbsorientierung" im Zusammenhang mit Hochschulen ab.


2. Soziales.

Die Besitzenden können aufatmen: sie werden genauso geringe Steuern wie bisher zahlen, wodurch das Vermögen der Reichen immer weiterwächst. Währenddessen soll der Mindestlohn einmalig (um einen Euro mehr als ohnehin schon geplant war) steigen. Das HartzIV-Konzept, das jetzt den hippen Namen "Bürgergeld" trägt, enthält einige wichtige Veränderungen, wie bspw. die Anerkennung der Angemessenheit der Wohnung in den ersten beiden Jahren, die nicht-Anrechnung von Vermögen, die erleichterten Möglichkeiten von Zuverdiensten, die mindestens temporäre Aussetzung der Sanktionen. Aber die nötigste Veränderung, die wesentliche Anpassung der Höhe, bleibt fatalerweise aus. Das Pflegepersonal bekommt einen einmaligen Zuschuss - "höhere Löhne" sind zwar erwähnt, aber nicht wann und in welchen Dimensionen. Umverteilung und Enteignung mit dem Ziel einer freien und solidarischen Gesellschaft, wie wir sie anstreben, sieht anders aus!


3. Internationalismus.

Laut Koalitionsvertrag soll vorrangig eine »Rückführungsoffensive« (sprich:Abschiebungen) gestartet werden. Außerdem sei "reguläre Migration zubefürworten". Demnach wird Flucht nicht als "regulär", also als abzulehnen verortet. Eine offene, internationale "Willkommenskultur" sieht anders aus. Auch wolle man die Bewaffnung der Bundeswehr mit Drohnen sowie atomwaffenfähigen Kampfflugzeugen ermöglichen. Der Sicherheitsstaat Deutschland wird ausgebaut und somit solidarischen internationalen Kooperationen den Kampf angesagt.Dementgegen vertreten wir den Grundsatz, dass "eine Rückkehr zur Isolation und Nationalismus [...] lediglich von Problemen ab[lenkt] und [...] diese nur noch größer werden [lässt]". Stattdessen müsse "allen Menschen [...] die Mitgestaltung dieser Gesellschaft ermöglich[t]" werden.

An diesen ausgewählten Kritikpunkten wird bereits deutlich, dass vom Vorsatz der Ampel "das Land besser zu machen" (Scholz) zwar ein Teil der Gesellschaft Verbesserungen erwarten darf, der Großteil der Gesellschaft national sowie international aber nur wenig oder nicht profitieren wird. Dabei ist zu betonen,dass der Koalitionsvertrag auch bedeutende und hart erkämpfte Erfolge hervorbringt (bspw. Wahlalter ab 16, Cannabis-Legalisierung, Abschaffung des Transsex.-Gesetz, Abschaffung §219a). Diese progressiven Elemente bedürfen nun einer raschen Umsetzung, während zeitgleich damit nicht die Defizite des Vertrages außer Acht gelassen werden dürfen.


Als Campusgrün sehen wir in einigen Punkten des Koalitionsvertrag ein Chance, vielen Menschen das Leben wenigstens ein Stück weit zu erleichtern. Gleichzeitig bleibt der Koalitionsvertrag aber in vielen oben genannten Punkten hinter unseren Erwartungen zurück. Wir stellen uns als Bundesverband nicht gegen die angestrebten Änderungen, die für viele Menschen lang erhofft waren und erkämpft wurden. Dennoch können wir der neuen Regierungskoalition keinen Vertrauensvorschuss gewähren.


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